Neulich habe ich „Jasper“ ausprobiert, eine „generative KI-Plattform für Unternehmen, die Ihrem Team hilft, auf Ihre Marke zugeschnittene Inhalte 10-mal schneller zu erstellen, egal wo Sie online arbeiten.“, so die Selbstbeschreibung. ChatGPT finde ich recht inspirierend, wenn es um Ideen, Wortfindung, Synonyme oder erste Versionen von Kurztexten geht. Jasper verspricht – basierend auf ChatGPT –, auch gute Langtexte im Nu zu generieren. Würde ich ohne KI etwa einen Artikel über die Grundlagen guten Employer Brandings schreiben wollen, bräuchte ich, je nach Fachkenntnis und Anspruch einen halben bis zwei Tage. Kann Jasper das für mich in zwei Minuten erledigen?
Nun ja. Die Software hat mit einen grammatikalisch korrekten Langtext geliefert, der inhaltlich nicht falsch ist. Aber ich finde ihn einschläfernd dünn. Ich habe ihn auch einer Kollegin geschickt, die dachte, ich hätte den Text selbst geschrieben. Ihre Reaktion: „Nun ja, Dennis, wie soll ich es formulieren … Ich dachte, das kannst Du besser? Unser Anspruch ist doch ein anderer, nicht wahr?!“
Um die Zusammenfassung des Jasper-Artikels zu zitieren:
“Building a strong employer brand is not an overnight process. It involves understanding your target audience, developing messaging that resonates, showcasing your culture, and evaluating your reputation. But it's worth it. A strong employer brand can help you attract the best talent, reduce turnover rates, and increase employee satisfaction. So, start investing in your employer branding efforts today, and watch your brand reputation and bottom line thrive.”
Klingt erstmal nicht falsch, ja geradezu motivierend. Aber Sätze wie „Building a strong employer brand is not an overnight process.” sind Zeichen eines hohen Bla-Faktors bzw. eine Binse. Wer duscht, wird nass, da muss man aufpassen …
Das dünne Ergebnis mag an den Daten liegen, die ChatGPT geremixt hat – Texte, die Menschen zu den Grundlagen von Employer Branding geschrieben haben. Echte Fachliteratur war vielleicht nicht dabei oder quantitativ unbedeutend. Oder es lag an meinem Prompt: „I need a blogpost about the basics of employer branding. What are the most important things to consider when setting up and managing a successful employer brand?” Ich weiß es nicht.
Zahlreiche weitere Versuche, mit Jasper gute Langtexte zu produzieren, machen deutlich, was eine KI wie ChatGPT kann, und was nicht:
Der Informatiker und Autor Jaron Lanier, schrieb dazu in The New Yorker, „that there is no such thing as artificial intelligence. Instead, the most accurate way to understand what we are building today is as an innovative form of social collaboration. A program like OpenAI’s GPT-4, which can write sentences to order, is something like a version of Wikipedia that includes much more data, mashed together using statistics. Programs that create images to order are something like a version of online image search, but with a system for combining the pictures. In both cases, it’s people who have written the text and furnished the images. The new programs mash up work done by human minds.”
Neuronale Netze erkennen Muster besser und schneller als Menschen, „um etwa aus physiologischen Parametern auf eine Erkrankung zu schließen. Ursache und Wirkung verstehen sie jedoch nicht“, bringt es Thomas Brandstetter von der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) auf den Punkt. Noch müssen Menschen den Systemen beibringen, dass die Sonne nicht aufgeht, weil der Hahn kräht, sondern anders herum.
Zumindest bis kausale Modelle funktionieren – die MPG arbeitet daran – werden Jasper und Co. für kurze Marketingtexte, Finanz-, Sport- und sonstige informationelle Nachrichten taugen. Ein Algorithmus, der Texte generiert, für die Redakteure nur Finger und kaum Hirn anstrengen müssen, ist ja schöne Entlastung.
Auf Werten und strategischen Gedanken basierende Brand Storys, Kernbotschaften, Thought Leadership Content oder gar über eine Website hinweg kohärente Texte sehe ich noch nicht. Neue Ideen, Zusammenhänge, Thesen, öffnende Fragen und Argumente bleiben vorerst Sachen der MI.
Eine Befürchtung, die ich mit Blick auf Japser habe: Dass die Software zu einem „Sturm heißer Luft“ führen könnte. Dass Menschen damit massenhaft „Dünntext“ produzieren und bei Leser*innen wertvolle MI-Ressourcen verschwenden. Dass wir es zunehmend statt mit kräftigen Gedanken mit dünner Content-Plörre zu tun bekommen werden. Und: Würden diese KI-Texte die Datengrundlage der KIs erweitern, könnte gar ein „Teufelskreis der Dünnheit“ entstehen. Der Text zum Employer Branding ist immerhin Content. Und bestimmt lassen sich ein paar Unwissende damit beeindrucken. Aber für die Qualität würde ich keine 468 US-Dollar pro Jahresabo bei Jasper ausgeben.
Mit Blick auf die Message-Massen allerorts sollte das Motto ohnehin sein: Weniger Content, aber besserer. Den produzieren wir bei mc-quadrat nach wie vor mit verschiedenen MI, die sich untereinander austauschen und genau verstehen, was gute Qualität für ihre menschlichen Zielgruppen bedeutet. Die Analysen, Inhalte, Ideen und Konzepte hinter die Inhalte legen. Die stets eine Antwort auf die Warum-Frage suchen und Erfahrungswissen mit Neugier und der Bereitschaft zum Perspektivwechsel verbinden. Das kann KI noch nicht.
PS: Wahrscheinlich wird die Kennzeichnung von KI- bzw. MI-Content zunehmen. Der Aufreger um PastaGPT und das Rezeptheft von Burda sind ein erster Anlass.